Sonntag, 5. August 2012

Briefe aus dem Jahr 2030 - Rede vom 06.August 2012

Ich staunte nicht schlecht, als ich folgende Zeilen auf meinem Email Account las:
Liebe Mama, lieber Papa, - eine Mail vom 25.08.2030 – ich staunte nicht schlecht und hab sie dann auch gelesen.
Also: Liebe Mama, Lieber Papa,
zur Zeit bin ich in Hamburg beschäftigt. Seit 3 Monaten der erste Job. Ich bin an EADS verliehen und verdiene 8,-- € die Stunde. Mein Ingenieur-studium bringt mir da rein gar nichts. Allerdings arbeiten wir 50 Stunden die Woche. Damit habe ich 1.600,-- € Brutto. Abzgl. 25% Pflichtversicher-ung, das Zimmer mit 20,-- € die Nacht und das Kantinenesse mit 4,50 € pro Tag bleiben mir noch 700,--€. Würde ich noch wöchentlich nach Hause fahren wäre das Geld weg. Also sehe ich meine Mareike nur einmal im Monat, denn sie arbeitet gerade am Bodensee als Apfelpflückerin. Versprochen waren auch 8,--€ die Stunde aber nur wenn man den Akkord erreicht. Keiner erreicht Diesen und so bleiben Ihr nur 4 bis 5,-- €. Ist ja auch kein Wunder, als Lehrerin ist man einfach nicht so geschickt im Apfelpflücken. Liebe Mama, lieber Papa, warum habt ihr uns so eine Arbeitswelt hinterlassen? Ihr hattet doch alles von Euren Eltern erkämpft bekommen. Diese haben durch Streiks und Arbeitskämpfe die 35 Stunden Woche, tollen Kündigungsschutz, oft 2 stellige Lohnsteigerungen, Teilhabe am Produktivitätszuwachs, sogar Mitbestimmung in den Betrieben, gesetzliche Renten und Krankenversicherungen – alles haben Eure Eltern für Euch erkämpft. Ihr hättet nichts anderes tun müssen als diese Errungenschaften zu verteidigen. Aber nichts habt Ihr gemacht. Ihr habt zugelassen, dass die SPD die Gewerkschaften unterwandert und sie für die Zwecke des Kapitals einspannt. Bis heute haben sich die Gewerkschaften davon nicht erholt. Ihr habt uns vorgelebt, das man nur nach sich selber sehen muss. Solidarität war bei Euch verpönt. Ihr habt zugesehen wie Schröder und Fischer damals alle Arbeiter und Angestellte verkauft haben. Wehrlos habt Ihr Euch Scheibe um Scheibe vom Brot nehmen lassen. Warum? Ihr hattet es doch. Es ist doch logisch, wenn man das Arbeitslosengeld kürzt, dass ihr wehrlos werdet als Arbeiter. Wer nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in Armut gerät hat einfach Angst zu kämpfen. Warum habt Ihr das nicht gesehen und die SPD und Grünen gestoppt. Es bringt doch keinem Arbeiter etwas wenn Arbeitslose schlecht behandelt werden und in Armut gehalten werden. Sie sind doch willenlose Konkurrenten um jeden Job. Sie drücken doch die Löhne wie man heute ja deutlich sieht. Ich kann es nicht verstehen.
Mareike sehe ich erst in vier Wochen wieder. Wie sollen wir Euch jemals Enkel schenken? Ich hoffe Euch geht es trotz allem Gut und Ihr seid Gesund. Viele Grüße aus Hamburg Euer Martin. – Dann die Antwort:
Lieber Martin,
wir verstehen ja, dass Du verbittert bist, aber wir haben das alles ja nicht geahnt. Wir waren damit beschäftigt unseren Wohlstand zu halten. Die vielen Urlaube, die vielen Ausflüge das alles hat ja auch Zeit gebraucht. Kein Politiker hat uns die Wahrheit gesagt. Wir haben Ihnen vertraut. Es war auch nicht klar, dass man mit der Pressefreiheit die Freiheit der Presse meinte, uns einseitig zu informieren. Es war uns nicht klar, dass die Journalisten Handlanger der Konzerne sind, für die sie arbeiten. Wir träumten noch von freiem Journalismus. Wir waren so abgelenkt von unserem kleinen Wohlstand, dass wir es nicht bemerkt haben. Wer hat denn Deinen Führerschein, Dein Studium finanziert. Sicher ist es jetzt nicht viel wert, aber wir waren einfach zu naiv. Auch in der Schule wurde uns nichts über Solidarität beigebracht. Niemand klärte uns auf über die Machenschaften der Eliten. Uns erzählte man z.B., dass Adolf Hitler verantwortlich für den Faschismus war. Kein Wort in den Schulbüchern darüber, dass die gesamte Großindustrie die Faschisten systematisch mit riesen Geldsummen versorgte. Kein Wort darüber, wer in welchen Hinterzimmern dafür sorgte dass Hitler Kanzler wurde. Bis in die 20er Jahre wurde uns gebetsmühlenartig vorgebetet von Journalisten wie von Politikern, dass Hartz IV Ursache für den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Industrie war. Keiner kam auf die Idee dies zu hinter-fragen. Ich gebe zu, wir hätten unseren Arsch aus dem Sofa bewegen und uns informieren müssen. Es war damals schon bekannt, aber wir waren zu gutgläubig und was man nicht weiss macht einen nicht heiss.
Übrigens Martin, habt ihr schon eine Wohnung gefunden. Ihr wisst ja, dass wir das großelterliche Haus in dem Ihr wohnt leider verkaufen müssen. Wir brauchen das Geld dringend für unsere Rentenaufbesser- ung. Der Staat zahlt ja nur noch so wenig Rente. Ich hoffe Ihr habt auch mal bessere Zeiten. Dafür wünschen wir Euch alles alles Gute.

Viele liebe Grüße von Mama und Papa.

PS: Mach Dir einen schönen Abend mit dem beigelegten Fuffi!

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