Montagsdemo vom 23.05.2011
Grün-Rosa Koalitionsvertrag, eine Hoffnung für Hartz IV Opfer oder voller Fallstricke?
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter und Alle, die heute hier zuhören!
Wir haben eine neue Landesregierung. Und keinen König Mappus mehr. Das hat uns alle wirklich sehr gefreut - die Parole der S 21- Gegner:“ Mappus weg!“ - die hat sich also erledigt. Nicht ganz hat sich der Rest erledigt. Nach wie vor haben Daimler und Konsorten im Ländle das Sagen. Nach wie vor sind manche Regionen auch nach dem Wechsel fest in CDU- Hand.
Auch wenn es noch zu früh ist, konkrete Auswirkungen des sog. Politischen Wechsels zu beurteilen, so habe ich mir doch mal den Koalitionsvertrag angeschaut. Ganz schön harte Arbeit, sage ich Euch: netto 85 Seiten! Mehr als mal drüber gelesen habe ich noch nicht, wenn also was nicht stimmt, verzeiht es mir. Und ich muss sagen: viele Sachen hören sich super an. Manches ist auch schon konkret wie die Förderung von Ganztagsschulen mit Mittagsessen, das für alle offen stehen soll.
Ansonsten hat man erst mal den Eindruck:
Baden- Württemberg wird ein Paradies werden! Ökologisch, sozial, potenter Wirtschaftsstandort, eine völlig umgekrempelte Bildung, ein wahrer Hort für Frauenrechte, Familien mit Kindern sollten am Besten alle hierher ziehen. Auch für Bienen, Bauern, ökologische Landwirtschaft und erneuerbare Energien bricht eine neue Ära an.
Rad- und Fußverkehr und der Öffentliche Nahverkehr werden mehr gefördert.
Zu S 21 allerdings kein müdes Wort! Das fand ich schon erstaunlich.
Über dem Kapitel Energie steht:
Atomkraft - nein danke!
Das war mir gleich sympathisch und ich weiß kaum, was ich sagen soll. Denn ich bin ein gebranntes Kind. War schwanger, als Tschernobyl explodierte, habe die rot- grüne Bundesregierung erlebt- und wir alle haben da unsere konkreten Erfahrungen. Und jetzt soll hier alles nur noch besser werden?
Also: Wo anfangen im Koalitionsvertrag?
Jetzt, wo in Fukushima sogar zugegeben wird, dass die Kerne weiter schmelzen und die atomare Katastrophe unaufhaltsam ihren Lauf nimmt: fangen wir also mit Energiepolitik an. Gut: Windkraft und Solarenergie sollen gefördert werden. Und die AKW´s sollen- aber nur: erst mal! - ausgeschaltet bleiben. Soweit bin ich einig.
Aber dann stolpere ich über einen „AKW- Stresstest“. Kommt mir bekannt vor. Ging da nicht gerade ein sog. Ergebnis durch die Presse? Nach einer freundlichen Anfrage an die AKW- Betreiber, ob auch alles sicher ist. Die antworten auch freundlich: „na klar, alles in Butter“. Das ganze dekoriert mit dem, was seit 10 Jahren klar ist: hoffentlich fällt keinem deutschen AKW ein Flugzeug auf den Reaktor. Alles andere muss noch geprüft werden. Na toll! So einen tollen Stresstest will die neue Landesregierung auch für Frankreich und die Schweiz. Und sie will baldmöglichst und ergebnisoffen nach Endlagern suchen.
Erneuerbare Energien sollen deutlich ausgebaut und über geeignete Rahmenbedingungen stärker vorangebracht werden. Hört sich ziemlich schwammig an, findet Ihr nicht?
Dann die Bildung. Die ist schon etwas konkreter.
Mit den kommunalen Spitzenverbänden sollen Familien mit Kindern gefördert werden. Erzieherberufe sollen akademisiert werden- vom Betreuungsschlüssel allerdings kein Wort.
Ganztagsschulen, keine Werkrealschule mehr. Bessere Sprachförderung usw. Ein „Innovationspool“ für Gemeinschaftsschulen bis Klasse 10 soll gegründet werden - eine tolle Wortschöpfung- was man sich drunter vorstellen kann, bleibt verschwommen. 8- und 9-jähriges Gymnasium sollen parallel laufen. Alles wirklich gute Ziele.
Und dann die Gretchenfrage: woher kommt das Geld? Da hab ich allerdings echt gestaunt: Finanziert werden soll das durch Mittel, die durch sinkende Schülerzahlen frei werden. Heißt das: die Klassen bleiben gleich groß, die Lehrer gleich wenige, die Klassenzimmer gleich verrottet? Denkbar wäre ja auch, die sinkenden Schülerzahlen für eine deutliche Verbesserung in diesem Bereich zu nutzen!
Zur Gesundheit findet sich in 2 Abschnitten was: einmal unter Wirtschaft. Da wird der Gesundheitssektor als ein superwichtiger Wirtschaftszweig mit viel Potential bezeichnet. Da schrillen bei mir – als ehemals im Klinikum tätig - alle Alarmglocken! Weiter unten viel allgemeine Erklärungen, dass alles besser werden soll, die Pflegeberufe aufgewertet und ebenfalls akademisiert werden müssten. Mehr soziale Anerkennung sollen sie bekommen. Vom Stopp des Stellenabbaus oder Neueinstelllungen ist hier nicht die Rede. Aber von Förderung des freiwilligen Engagements!
Interessanterweise taucht bei dem großen Abschnitt über die Polizei der Stopp des Stellenabbaus gleich zu Beginn auf!
Aber jetzt zu den Abschnitten, die für unsere Bewegung besonders interessant sind.
Baden-Württemberg soll Musterland für Gute Arbeit werden. Da muss ich Euch mit einem Originalzitat plagen:
„Eine soziale und ökologische Modernisierung der Wirtschaft braucht die Akzeptanz, Motivation und Innovationsfähigkeit der Beschäftigten. Wer in Zukunft qualifizierte und motivierte Fachkräfte will, muss gute Arbeitsbedingungen schaffen. Wir wollen Arbeit, die gerecht entlohnt wird, die Teilhabe an den sozialen Sicherungssystemen ermöglicht, Anerkennung bietet, nicht krank macht, erworbene Qualifikationen nutzt und ausbaut, demokratische Teilhabe garantiert und die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet. Gute Arbeit achtet die Würde der Beschäftigten.“
Hört sich schön an, nur ist es mit der Achtung der Würde der Beschäftigten nicht weit her- auch die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich ständig.
Die neue Regierung will sich für Mindestlöhne einsetzen – gut so! Nur - über die Höhe steht nichts drin.
Und jetzt kommts dicke:
Sozialer Arbeitsmarkt – Perspektiven für Langzeitarbeitslose
„Auf der Bundesebene setzen wir uns dafür ein, die sinnvollen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik mit den entsprechenden Haushaltsmitteln zu erhalten. Wir bekennen uns zu öffentlich geförderter Beschäftigung und setzen uns auf Bundes- und Landesebene für einen sozialen Arbeitsmarkt ein.
Wir werden uns deshalb zukünftig aktiv für die Integration erwerbsloser Menschen in den Arbeitsmarkt einsetzen und in Baden-Württemberg neue Wege beschreiten.
…Und ein Landesarbeitsmarktprogramm auflegen“
Dieser „soziale Arbeitsmarkt“, der auch über Integrationsunternehmen laufen kann, ist nichts Neues, das sind staatlich bezuschusste Minijobs. Die allerdings sozialversicherungspflichtig sein sollen, wie auch immer. Rot- Grün bekennt sich ausdrücklich zu geförderten Arbeitsmöglichkeiten, zu nicht- staatlichen Arbeitsvermittlungen - das heißt dann: „Unabhängige Arbeitslosenberatung ausbauen“, zu Optionskommunen usw. D.h. der Riesenmarkt, der durch sog. Förderprogramme entstand und an dem sich Private Firmen bereichern, soll noch gefördert werden, statt das Geld den Arbeitssuchenden zugute kommen zu lassen oder damit Stellen zu schaffen. Etwas anderes wäre allerdings auch sehr unwahrscheinlich gewesen, denn schließlich ist die Agenda 2010 von Rot- Grün beschlossen worden!
Liebe MitstreiterInnen, Vieles ist schön zu lesen. Aber äußerst vage. Und ich denke, mit größter Vorsicht zu genießen. Wir werden sehen, was praktisch geschieht und sehr wachsam sein müssen. Und wir werden weiter montags einen Termin haben. Wie seit über 6 Jahren. Also: weiter montags auf die Straße. Wir sind der Stresstest !!
Claudia Lenger-Atan
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter und Alle, die heute hier zuhören!
Wir haben eine neue Landesregierung. Und keinen König Mappus mehr. Das hat uns alle wirklich sehr gefreut - die Parole der S 21- Gegner:“ Mappus weg!“ - die hat sich also erledigt. Nicht ganz hat sich der Rest erledigt. Nach wie vor haben Daimler und Konsorten im Ländle das Sagen. Nach wie vor sind manche Regionen auch nach dem Wechsel fest in CDU- Hand.
Auch wenn es noch zu früh ist, konkrete Auswirkungen des sog. Politischen Wechsels zu beurteilen, so habe ich mir doch mal den Koalitionsvertrag angeschaut. Ganz schön harte Arbeit, sage ich Euch: netto 85 Seiten! Mehr als mal drüber gelesen habe ich noch nicht, wenn also was nicht stimmt, verzeiht es mir. Und ich muss sagen: viele Sachen hören sich super an. Manches ist auch schon konkret wie die Förderung von Ganztagsschulen mit Mittagsessen, das für alle offen stehen soll.
Ansonsten hat man erst mal den Eindruck:
Baden- Württemberg wird ein Paradies werden! Ökologisch, sozial, potenter Wirtschaftsstandort, eine völlig umgekrempelte Bildung, ein wahrer Hort für Frauenrechte, Familien mit Kindern sollten am Besten alle hierher ziehen. Auch für Bienen, Bauern, ökologische Landwirtschaft und erneuerbare Energien bricht eine neue Ära an.
Rad- und Fußverkehr und der Öffentliche Nahverkehr werden mehr gefördert.
Zu S 21 allerdings kein müdes Wort! Das fand ich schon erstaunlich.
Über dem Kapitel Energie steht:
Atomkraft - nein danke!
Das war mir gleich sympathisch und ich weiß kaum, was ich sagen soll. Denn ich bin ein gebranntes Kind. War schwanger, als Tschernobyl explodierte, habe die rot- grüne Bundesregierung erlebt- und wir alle haben da unsere konkreten Erfahrungen. Und jetzt soll hier alles nur noch besser werden?
Also: Wo anfangen im Koalitionsvertrag?
Jetzt, wo in Fukushima sogar zugegeben wird, dass die Kerne weiter schmelzen und die atomare Katastrophe unaufhaltsam ihren Lauf nimmt: fangen wir also mit Energiepolitik an. Gut: Windkraft und Solarenergie sollen gefördert werden. Und die AKW´s sollen- aber nur: erst mal! - ausgeschaltet bleiben. Soweit bin ich einig.
Aber dann stolpere ich über einen „AKW- Stresstest“. Kommt mir bekannt vor. Ging da nicht gerade ein sog. Ergebnis durch die Presse? Nach einer freundlichen Anfrage an die AKW- Betreiber, ob auch alles sicher ist. Die antworten auch freundlich: „na klar, alles in Butter“. Das ganze dekoriert mit dem, was seit 10 Jahren klar ist: hoffentlich fällt keinem deutschen AKW ein Flugzeug auf den Reaktor. Alles andere muss noch geprüft werden. Na toll! So einen tollen Stresstest will die neue Landesregierung auch für Frankreich und die Schweiz. Und sie will baldmöglichst und ergebnisoffen nach Endlagern suchen.
Erneuerbare Energien sollen deutlich ausgebaut und über geeignete Rahmenbedingungen stärker vorangebracht werden. Hört sich ziemlich schwammig an, findet Ihr nicht?
Dann die Bildung. Die ist schon etwas konkreter.
Mit den kommunalen Spitzenverbänden sollen Familien mit Kindern gefördert werden. Erzieherberufe sollen akademisiert werden- vom Betreuungsschlüssel allerdings kein Wort.
Ganztagsschulen, keine Werkrealschule mehr. Bessere Sprachförderung usw. Ein „Innovationspool“ für Gemeinschaftsschulen bis Klasse 10 soll gegründet werden - eine tolle Wortschöpfung- was man sich drunter vorstellen kann, bleibt verschwommen. 8- und 9-jähriges Gymnasium sollen parallel laufen. Alles wirklich gute Ziele.
Und dann die Gretchenfrage: woher kommt das Geld? Da hab ich allerdings echt gestaunt: Finanziert werden soll das durch Mittel, die durch sinkende Schülerzahlen frei werden. Heißt das: die Klassen bleiben gleich groß, die Lehrer gleich wenige, die Klassenzimmer gleich verrottet? Denkbar wäre ja auch, die sinkenden Schülerzahlen für eine deutliche Verbesserung in diesem Bereich zu nutzen!
Zur Gesundheit findet sich in 2 Abschnitten was: einmal unter Wirtschaft. Da wird der Gesundheitssektor als ein superwichtiger Wirtschaftszweig mit viel Potential bezeichnet. Da schrillen bei mir – als ehemals im Klinikum tätig - alle Alarmglocken! Weiter unten viel allgemeine Erklärungen, dass alles besser werden soll, die Pflegeberufe aufgewertet und ebenfalls akademisiert werden müssten. Mehr soziale Anerkennung sollen sie bekommen. Vom Stopp des Stellenabbaus oder Neueinstelllungen ist hier nicht die Rede. Aber von Förderung des freiwilligen Engagements!
Interessanterweise taucht bei dem großen Abschnitt über die Polizei der Stopp des Stellenabbaus gleich zu Beginn auf!
Aber jetzt zu den Abschnitten, die für unsere Bewegung besonders interessant sind.
Baden-Württemberg soll Musterland für Gute Arbeit werden. Da muss ich Euch mit einem Originalzitat plagen:
„Eine soziale und ökologische Modernisierung der Wirtschaft braucht die Akzeptanz, Motivation und Innovationsfähigkeit der Beschäftigten. Wer in Zukunft qualifizierte und motivierte Fachkräfte will, muss gute Arbeitsbedingungen schaffen. Wir wollen Arbeit, die gerecht entlohnt wird, die Teilhabe an den sozialen Sicherungssystemen ermöglicht, Anerkennung bietet, nicht krank macht, erworbene Qualifikationen nutzt und ausbaut, demokratische Teilhabe garantiert und die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet. Gute Arbeit achtet die Würde der Beschäftigten.“
Hört sich schön an, nur ist es mit der Achtung der Würde der Beschäftigten nicht weit her- auch die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich ständig.
Die neue Regierung will sich für Mindestlöhne einsetzen – gut so! Nur - über die Höhe steht nichts drin.
Und jetzt kommts dicke:
Sozialer Arbeitsmarkt – Perspektiven für Langzeitarbeitslose
„Auf der Bundesebene setzen wir uns dafür ein, die sinnvollen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik mit den entsprechenden Haushaltsmitteln zu erhalten. Wir bekennen uns zu öffentlich geförderter Beschäftigung und setzen uns auf Bundes- und Landesebene für einen sozialen Arbeitsmarkt ein.
Wir werden uns deshalb zukünftig aktiv für die Integration erwerbsloser Menschen in den Arbeitsmarkt einsetzen und in Baden-Württemberg neue Wege beschreiten.
…Und ein Landesarbeitsmarktprogramm auflegen“
Dieser „soziale Arbeitsmarkt“, der auch über Integrationsunternehmen laufen kann, ist nichts Neues, das sind staatlich bezuschusste Minijobs. Die allerdings sozialversicherungspflichtig sein sollen, wie auch immer. Rot- Grün bekennt sich ausdrücklich zu geförderten Arbeitsmöglichkeiten, zu nicht- staatlichen Arbeitsvermittlungen - das heißt dann: „Unabhängige Arbeitslosenberatung ausbauen“, zu Optionskommunen usw. D.h. der Riesenmarkt, der durch sog. Förderprogramme entstand und an dem sich Private Firmen bereichern, soll noch gefördert werden, statt das Geld den Arbeitssuchenden zugute kommen zu lassen oder damit Stellen zu schaffen. Etwas anderes wäre allerdings auch sehr unwahrscheinlich gewesen, denn schließlich ist die Agenda 2010 von Rot- Grün beschlossen worden!
Liebe MitstreiterInnen, Vieles ist schön zu lesen. Aber äußerst vage. Und ich denke, mit größter Vorsicht zu genießen. Wir werden sehen, was praktisch geschieht und sehr wachsam sein müssen. Und wir werden weiter montags einen Termin haben. Wie seit über 6 Jahren. Also: weiter montags auf die Straße. Wir sind der Stresstest !!
Claudia Lenger-Atan
1. Jun, 15:46