Dienstag, 29. Januar 2013

Montagsdemo vom 28.91.2013 - 80.Jahrestag Mössinger Generalstreik gegen Kapitalismus und Faschismus anlässlich Hitlers Machtergreifung - was heißt das für uns heute?

Zur Montagsdemo 28.1.13 / Claudia Lenger-Atan

Grad ist Hochkonjunktur. Nein, nicht wirtschaftlich gesehen. Sondern in Heuchelei. Da sind Viele betroffen und mahnen. Eine Kanzlerin mit schwarzem Parteibuch die andauernde Verantwortung für den Holocaust. Manche Parteifreunde im schwäbischen Mössingen aber haben Bauchweh, denn der Termin rückt näher. Und deshalb muss man wieder den Antikommunismus lauter werden lassen: …“das waren doch alles die Roten und die wollten doch statt Hitler den Stalin, das wäre ja fast dasselbe gewesen und Aufwiegler und Umbrüchler waren das!“ Gut, dass sich daran ein heftige Leserbreifdiskussion entwickelt!
Knapp 15 Jahre vorher erst war der erste Weltkrieg zuende gegangen mit einem Massensterben von bisher nie gekanntem Ausmaß. In Russland gab es die erste sozialistische Revolution und den ersten sozialistischen Aufbau in einem Land. In Deutschland hatte die Novemberrevolution Ende 1918 versucht, an der Entwicklung in Russland anzuknüpfen, Arbeiter- und Soldatenräte gebildet und den Kaiser verjagt. Sie wurden niedergeschlagen und mithilfe der Sozialdemokraten wurde die Weimarer Republik installiert. Die machte sich schnell einen Namen, z.B. der SPD- Polizeichef in Berlin, Noske. Der schlug weitere Aufstände, die sich ein Vorbild an Russland nahmen und vom Massenelend der Weltwirtschaftskrise noch angeheizt wurden, blutig nieder.
Die SPD- Führung machte endgültig ihren Frieden mit Krupp und Co. Die sorgten vor und päppelten die Nazis auf, erst im Hintergrund, dann immer offener. 1920 scheiterte der Kapp- Putsch an den Massenaktionen und Streiks der Arbeiter. Das sollen wir heut vergessen, ebenso wie die Rote Ruhr-Armee!
Dann kam die Ernennung von Hitler zum Reichskanzler und der KPD- Aufruf zum Generalstreik. Viele verschiedene Bedingungen, v.a. die Spaltung der Arbeiterschaft führten dazu, dass er trotz örtlicher Proteste nicht zustande kam. Außer: ja, da im roten Steinlachtal, da tat sich was.
„Do isch nirgens nix gwä außer hier!“

Ich zitiere aus dem Demo- Aufruf für Samstag, den 2.2.13: „Heraus zum Massenstreik! Unter dieser Losung zogen am 31.1.1933 800 Demonstrantinnen und Demonstranten durch Mössingen. Soeben war die Macht an Hitler übertragen worden. Diesen Verbrecher zu stürzen, war ihr Ziel. Darum folgten dem Streikaufruf der damaligen Kommunistischen Partei auch Männer und Frauen aus der Sozialdemokratie. Viele waren in der Gewerkschaft. So früh und so einhellig regte sich nirgendwo im Land der Protest gegen die Nazidiktatur. … Sie riskierten viel und wussten das. Über 100 Menschen aus Mössingen und den umliegenden Orten im Steinlachtal standen damals vor Gericht- wegen „Hochverrat“ und „Landfriedensbruch“. Ohne große Worte zwigten sie in jener Zeit mehr politische Weitsicht als viele andere. Sie praktizierten Solidarität und Verständnis füreinander. Sie ließen sich nicht gegeneinander ausspielen. An ihnen prallte auch die rassistishe Hetze der Nazis ab. Und sie wussten: Hitler bedeutet Krieg! (Ende Zitat)

Das ist 80 Jahre her und doch brandaktuell.
Ich zitiere weiter: „“Illegal” wäre die damalige Aktion in Mössingen auch heute. Seit den 1950er Jahren gelten politische Streiks als rechtswidrig. Nur bei Tarifauseinandersetzungen und mit komplizierten Einschränkungen sind Streiks “erlaubt”. Andernfalls drohen riesige Schadenersatzforderungen der Unternehmer wegen “Produktionseinbußen” – oder anders ausgedrückt: wegen Einschränkung des Profits. Seit Einführung der „Hartz“-Gesetze ist die Arbeitswelt noch unsicherer geworden. Für befristet oder geringfügig Beschäftigte, LeiharbeiterInnen u.a. bedeutet selbst die Wahrnehmung dieser eingeschränkten Streikrechte ein existenzbedrohendes Risiko….Ökonomische Ängste der BürgerInnen befeuern den Hass auf Menschen, die in irgendeiner Weise von der Norm abweichen, die von PopulistInnen definiert wird. Wer gegen diesen Hass oder auch für den Frieden auf die Straße geht – sogar am 1.Mai, um einen Nazi-Aufmarsch zu verhindern – riskiert, “eingekesselt” oder wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz belangt zu werden.“ (Ende Zitat)
Ja, was hat das mit uns zu tun? Wir sind eine sog. soziale Bewegung. Und wir wissen: Heute werden wieder die Rechte weiter beschnitten. Das Versammlungsrecht wird verschärft. Ein Beispiel sind 1000 anhängige Verfahren gegen Stuttgart- 21- Gegner in Stuttgart. Wer im Verfassungsschutzbericht auftaucht, droht die Gemeinnützigkeit zu verlieren, das haben VVN und IMI erlebt und das erlebt gerade der FV Courage. Das kann andere auch treffen! Hartz IV und die Agenda 2010 werden zum Erfolgsmodell hochgelobt und als Exportschlager in die andern EU- Länder. Rechtlosigkeit in den Betrieben durch Tarifflucht und Dumpinglöhne, miese Arbeitsbedingungen usw. sind hoch im Kurs. Und wir sind wieder in einer nun schon seit 2008 andauernden Weltwirtschaftskrise.

Also: ich bin stolz auf diese Mössinger und fühle mich in ihrer Tradition. Auch wenn wir hier nur wenige sind: wir bleiben dran und lernen jeden Montag viel voneinander, lassen uns nicht auseinander dividieren, auch wenn wir oft unterschiedlicher Meinung sind. Das alles werden wir für die Zukunft brauchen können. Besonders wichtig finde ich die anhaltende Debatte über eine andere Gesellschaft, wie die aussehen könnte und die möglichen Wege dorthin.
Also: auf nach Mössingen am Samstag!

Hinweis: Zug: 12 Uhr oder 12.58 ab Tübingen, 5 min vom Bahnhof ist der Jakob- Stotz-Platz, von wo aus es los geht. Jakob Stotz war Glasermeister war und Kommunist – und einer der Streikenden damals. Dass ein Platz nach ihm benannt wurde, hat zu ähnlichen Kontroversen in Mössingen geführt wie aktuell der 80. Jahrestag.

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