Freitag, 11. März 2011

Rosenmontagsdemo, 07.03.2011

Für Modemo 7.3.11- Rosenmontag

( v. Claudia Lenger- Atan)


Liebe Närrinnen und Narren und alle, die es schon immer mal werden wollten.
Narret send mer- und wie.
Da wolltet doch die Weiber am 8.3. einen Faschingsumzug machen- einen historischen Weibermarsch. Ja, wo kommet mer denn da no, wenn mer so ebbes zulasse tät. Vor dem großen Umzug au no! Wo scho Tausende am Straßenrand stehen und zugucket.! Da würde ja historisches Brauchtum mit einer politischen Kundgebung für Frauenrechte vermischt. Missbrauch wär des gradzu. Missbrauch der Fasnet als Bühne für ihre Weibergeschichte, womöglich wellet die den Umzug au no a´führe!
Sagten sich die Villinger Narrenzünfte- vorwiegend männlich besetzt. Und nix wars mit tausenden Zuschauern. Erst am Schluss sollten die Frauen jetzt laufen. (Nachsatz 9.3.: die Fraue hends g´schafft: ca 100 send vorne dra glaufe, e halbeStund vorher!)
Ja, toll.
„ Ja, so sinds, ja so sinds, ja so sinds die Narre heutzutag... „

Narret send mer. Heut und morgen au und nach dem 9. März auch no, Herr Palmer. 100 Jahre ist er alt, der internationale Frauentag- und immer noch nötig. Mehr als 100 Jahre geht das schon, dass die Weiber gleiche Rechte, gleiche Bildungs- und Berufschancen, gleiche Wertschätzung und auch noch gleiches Geld wollen.
Ja, send die narret? En Beruf wellet se, Kinder wellet se, ond schaffe gehe, ond genug Geld verdiene ond au noch e rechte Rente...
Ond die wellet mehr als ein „Vergelts Gott!“?

Aber jetzt mal im Ernst:

1911, vor 100 Jahren, da lag schon viel Kampf hinter den Frauen. Ja, sogar in den Arbeitervereinigungen und Gewerkschaften und der SPD- damals noch revolutionär!- gab es Widerstand. Ein Edmund Fischer schrieb: „ Die sogenannte Frauenemanzipation widerstrebt der weiblichen und der menschlichen Natur überhaupt, ist Unnatur und daher undurchführbar“ Gleichzeitig schrieb aber August Bebel das dicke Buch: „Die Frau und der Sozialismus“ Es gab also schon sehr verschiedene Meinungen dazu.
Als Clara Zetkin und Käthe Duncker bei der 2. internationalen sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen den Antrag auf einen Frauentag in allen Ländern einbrachten- ob sie da ahnten, dass nach 100 Jahren immer noch um Frauenrechte und gleiche Chancen gekämpft werden muss?
Das ursprüngliche Datum, der 19.3., war bewusst gewählt, weil am 18. März 1871 die Pariser Kommune begann und am 18. März der Gedenktag für die Gefallenen der 1848- Revolution war- in beiden Fällen standen viele Frauen mitten im revolutionären Kampf. Die Pariser Kommune hatte wahrhaft revolutionäre Gesetze bezüglich Frauen- und Kinderrechten erlassen.
Der 8.3. wurde 1921 festgelegt aufgrund des Streiks von St. Petersburger Arbeiterinnen, die damit 1917 die Russische Revolution auslösten. Das wird übrigens oft verschwiegen!

Und wie war das in Deutschland?
Hier ein kleines Quiz:
Frauenlöhne bedeuteten bis zu 25 % Abschlag, gesetzlich!- bis wann? Bis 1955.
Eine verheiratete Frau konnte nicht nur ohne Zustimmung des Mannes nicht arbeiten gehen- er konnte auch ihren Job fristlos kündigen! Bis wann? Bis 1958.
Eine verheiratete Frau musste bei Verträgen- z.B. dem Kauf eines Autos, auch wenn sie es bezahlte und anmeldete- die Unterschrift ihres „Haushaltungsvorstandes“ einholen. Bis wann? Bis 1977.
Und erst 1979 haben Gewerkschafterinnen den Frauentag wiederbelebt.
Das glaubt ja kein Mensch, v.a. keine junge Frau, dass juristisch und gesetzlich eine nahezu völlige Gleichstellung von Frau und Mann erst – na wann wohl? -1994 erreicht wurde.
Das ist der Grund, warum in den Werten, den Köpfen, dem Denken und Handeln der Leute nach wie vor noch so viel an Missachtung, Überheblichkeit und Abwertung Frauen und Mädchen gegenüber vorhanden ist! Das alte Denken wird lebendig gehalten von Politikern, Arbeitgeberverbänden, Kirchen.
Praktisch zeigt es sich an den Löhnen, den Berufs- und Aufstiegschancen, der stereotypen Frage an Frauen bei Vorstellungsgesprächen: „…was, Sie haben 3 Kinder- wie wollen Sie denn da arbeiten?“, der Altersarmut, Gewalt gegen Frauen und Mädchen usw. Aber auch an Meinungen, eine Frau gehört zum Kind, Nachhause an den Herd.
Und wenn sie Karriere machen will oder gar politisch aktiv ist, muss sie erst mal zuhause sauber machen und die Kinder versorgen. Auch das negative Bild von Frauenrechtlerinnen als „Kampfhennen“, ihre Verhöhnung an Stammtischen und bei konservativen Politikern gehört dazu. Letztlich nutzt diese ganze überholte Familienordnung- „heile Welt, Vater, Mutter, Kinder“, die schon lange nicht mehr der Realität entspricht, nur denen da oben. So kann Frau weiter mies bezahlt werden als Zuverdienerin, als Teilzei-t oder Minijobberin, in mies bezahlen Frauenberufen.
Und deshalb ist der Protest dagegen auch noch nicht so flächendeckend, wies eigentlich sein müsste. Viele Frauen wissen nichts vom 8. März. Kämpfen sich ziemlich allein durchs Leben. Trauen keinem, schließen sich nicht so leicht zusammen.
Aber es ändert sich! Ob gegen Atomkraft, Castor oder S 21, ob bei Streiks in den Betrieben: Frauen, auch viele junge, stehen immer mit vorne dran. In vielen Frauenbetrieben wie Kliniken hat sich eine Streik- und Kampftradition entwickelt, die vor Jahren undenkbar war. Das steht in der Tradition einer der nachhaltigsten sozialen Bewegungen, die es je gab: der kämpferischen Frauenbewegung!
Und das ist weltweit so. In Nordafrika kämpfen die Frauen gegen Diktatorische Regimes. In Bangladesh für gewerkschaftliche Rechte und bessere Arbeitsbedingungen, in der Türkei gegen Ehrenmorde.
Jetzt gerade sind viele nach Venezuela gefahren: zur Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen mit Delegierten aus weit über 40 Ländern. Das ist was ganz Neues und Tolles. Ganz ohne die UN. Guckt mal ins Internet auf die Homepage, da gibt’s Berichte, Fotos und Filme.
Und kommt morgen vorbei hier auf dem Holzmarkt- auch wenn er nicht Montag, sondern Dienstag ist- der 100. Internationale Frauentag!

Narret send mer!

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