Freitag, 13. April 2007

27.März

Rede von Emanuel Peter

Liebe Freundinnen und Freunde der Montags-Demonstration!
Liebe Tübingerinnen und Tübinger!

Am Wochenende haben in Berlin die Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer der EU den 50.Jahrestag der Römischen Verträge gefeiert. Und was fällt Bundeskanzlerin Merkel als wichtigste Zukunftsaufgabe der EU ein? Sie fordert die Gründung einer „europäischen Armee“.
Das ist die Perversion der Gründungsidee vor 50 Jahren: 1957 wurde die Vorform der heutigen EU gegründet, weil die Völker nach dem 2. Weltkrieg genug hatten von Nationalismus, Faschismus und Krieg. Sie wollten den Frieden zwischen den Völkern als Bedingung für den Wiederaufbau und einen bescheidenen Wohlstand.
Stattdessen treibt die deutsche Bundeskanzlerin heute die Militarisierung Europas voran und will einen Verfassungsentwurf durchsetzen, der von der Bevölkerung in Frankreich und den Niederlanden strikt abgelehnt worden ist. Dieser Entwurf sieht u.a. vor, dass die EU permanent aufrüsten muss. Aufrüstung statt Abrüstung soll Verfassungsrang erhalten. Gleichzeitig werden in der EU im Interesse der großen Rüstungskonzerne Battle-Groups, schnelle Eingreiftruppen, gebildet. Sie können dann die „Sicherung der Rohstoffzufuhr“ übernehmen, die der Arbeitgeberverband BDI letzte Woche von der Bundesregierung gefordert hat. Als gehörten aller Rohstoffe der Welt den deutschen Konzernen und nicht den Bevölkerungen in diesen Ländern.

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Mit dem Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan hat die Militarisierung der deutschen Außenpolitik einen traurigen Höhepunkt erreicht. Innenminister Schäuble hat kürzlich den Auslandseinsatz von 30.000 Beamten der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts gefordert – auch gegen deren Willen. Die modernisierte Version von „Deutschland, Deutschland über alles in der Welt“ heißt jetzt laut Struck: „Deutschlands Außengrenzen werden am Hindukush verteidigt.“ Wer von deutscher Geschichte ein bisschen Ahnung hat, weiß, welche üble Rolle die SPD schon bei den Kriegskrediten vor dem 1. Weltkrieg gespielt hat. Man wundert sich also nicht über das Untertanenbewusstsein von Herta Däubler-Gmelin. Dagegen unterstützt die Friedensbewegung die Zivilcourage des ehemaligen CDU-Staatssekretärs Wimmer, der den Tornado-Einsatz offen als Verfassungsbruch gegeißelt hat. Und wir unterstützen die mutige Befehlsverweigerung von Bundeswehroffizieren des Darmstädter Kreises „Signal“ wie von Offizier Jürgen Rose und vier weiteren Reservisten. Krieg, das lehrt gerade die deutsche Geschichte, ist immer ein Krieg der Herrschenden und der Konzerne gegen die Bevölkerung anderer Länder gewesen, eine Fortsetzung der sozialen Ausplünderung der eigenen Bevölkerung auf internationaler Ebene. 1,4 Mrd. Euro hat der Bundeswehr-Einsatz bisher in Afghanistan verschlungen, Geld, das keineswegs dem zivilen Aufbau dort zugute kam und das hier dringend im sozialen Bereich gebraucht wird.

Deshalb, liebe Tübingerinnen und Tübinger, ist es kein Zufall, dass wir dies heute auf der Montags-Demo gegen Sozialabbau ansprechen und alle aufrufen, am Ostermarsch nach Calw teilzunehmen.

Warum Calw?
Im beschaulichen Schwarzwaldstädtchen Calw, der Heimatstadt des Pazifisten Hermann Hesse, befindet sich die Kaderschmiede der neuen Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte (KSK). Diese Eliteeinheit wurde 1996 gegründet und hat geheime Kampfaufträge, die jeder Kontrolle durch das Parlament entzogen werden. Die Eliteexportnation braucht eine Elitekampftruppe.
Die Verschleppung des in Bremen geborenen Murat Kurnaz durch US-Truppen in das Geheimgefängnis Guantanamo wirft ein grelles Licht auf die KSK, die Beihilfe geleistet hat. Warum? Offensichtlich wird die KSK als willige Hilfstruppe in Bushs schmutzigem „Kreuzzug gegen das Böse“ eingesetzt. Spiegel-Online veröffentlichte aus den Vernehmungsprotokollen zweier KSK-Soldaten durch die Tübinger Staatsanwaltschaft. Sie waren bereits 2002, zu Zeiten der rot-grünen Regierung, in Afghanistan eingesetzt. Im Januar 2002 mussten sie bei klirrender Kälte Gefangene vom Flugzeug ins Lager führen. Ich zitiere einen Hauptfeldwebel: „Die Gefangenen waren maskiert und miteinander zusammengebunden. Sie mussten ihre Notdurft innerhalb der Käfige verrichten.“ Kurnaz berichtet, dass er die erste Nacht unbekleidet auf der Erde schlafen musste, später wurde er geschlagen, getreten und gefoltert. Kandahar dient den US-Truppen als Basislager, aus dem die Verdächtigen dann nach Guantanamo geflogen werden. Da die KSK-Soldaten offensichtlich wissen, dass ihr Einsatz durch keinerlei Parlamentsbeschluss oder Völkerrecht gedeckt ist, machen sie vor Einsätzen die deutsche Fahne an den Uniformen unkenntlich, wie Hauptfeldwebel F. aussagt.

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Es ist kein Wunder, dass die KSK-Einsätze geheim gehalten werden müssen. Sie stoßen wie der Tornado-Einsatz auf den erbitterten Protest der Bevölkerung. Die Bundesregierung hat allen Grund, Referenden der Bevölkerung zur Rente mit 67, zur Gesundheitsdeformation und zum Tornado-Einsatz zu fürchten. Wir haben allen Grund, die sofortige Auflösung dieser außerparlamentarischen Interventionstruppe zu fordern. Denn zusammen mit zwei weiteren Brigaden in Oldenburg und Saarlouis sind die 7.400 Soldaten Teil des Umbaus der Bundeswehr von einer Armee der Landesverteidigung zu einer international agierenden Eingreiftruppe. Über 80 Prozent sind Berufs- und Zeitsoldaten, für die die Wehrpflichtigen nur noch Hilfsaufgaben erledigen. Der ehemalige deutsche Botschafter in Italien hat deshalb der Gründung des KSK „politisch, militärisch und unter ethischen Gesichtspunkten die Qualität einer zweiten Wiederbewaffnung“ nach 1956 zugesprochen.

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Bis heute gibt es keinen Protest der Bundesregierung bei der US-Regierung an der Verschleppung eines in Deutschland geborenen Bürgers – ganz im Gegensatz zur kanadischen Regierung, die sich bei dem in Kanada geborenen Syrer Mahed Arar entschuldigte und ihm Schadenersatz zahlte.
Im Gegenteil: Die Bundesregierung ermöglicht die KSK-Mithilfe an der Verschleppung von Kurnaz aus Afghanistan und sein Verhör durch BND-Beamte in Guantanamo. Mit der KSK betreibt die Bundesregierung eine geheime Außenpolitik am Parlament vorbei. Wir lassen uns auch nicht durch den plumpen Trick von Widmann-Mauz täuschen, die von einem „vernetzten, zivil-militärischen Ansatz“ in Afghanistan spricht. Denn tatsächlich wird die humanitäre Hilfe durch den KSK- und den Tornado-Einsatz zunichte gemacht. Wir sind dagegen, dass sich die Gewaltspirale durch immer mehr Militär immer schneller dreht. Schließlich ist es die verfehlte US-Politik in Afghanistan, die ein Wiedererstarken der Taliban erst möglich gemacht hat.
Statt einer militärischen Offensive brauchen wir eine soziale Offensive, im eigenen Land, in einer friedlichen, demokratischen Sozialunion Europas und gerade im Nahen und Mittleren Osten. Wie hieß es schon vor 1914: Diesem Regime und dieser Kanonenboot-Politik keinen Pfennig und keinen Mann!
Darum lasst uns alle am Samstag, den 7. April in Calw für die Auflösung der Geheimtruppe KSK, für den Abzug aller deutschen Soldaten aus Afghanistan und für eine friedliche Außenpolitik Europas im Interesse der Völker demonstrieren!

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