Dienstag, 22. Mai 2007

21. Mai 2007

Rede von Jule (unter anderem aktiv bei ['solid], der Tübinger Anti-G8-Gruppe und bei attac)

Die Gruppe der Acht besteht aus den Staats- oder Regierungschefs der USA, von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Kanada, Japan und Russland. Sie trafen sich zum ersten mal 1975 in Rambouillet als G6 und erweiterten sich später auf sieben bzw. acht Mitgliedsländer. Auf ihren jährlichen Gipfeltreffen stimmen die Regierungen und große Mitarbeiterstäbe ihr Handenl in anderen internationalen Organisationen ab. Dabei werden die meisten Ergebnisse nicht offiziell veröffentlicht, sondern bestehen aus informellen Absprachen. Die G8 haben keine demokratische Legitimation, um über die Belange der ganzen Menschheit zu entscheiden. Dennoch wollen sie - gestützt auf ihre wirtschaftliche und militärische Macht - ihre gemeinsamen Pläne weltweit umsetzen.

Doch hier ist die Montagsdemo, die sich nicht nur, aber doch vor allem heute zum 132ten Mal gegen die Hartz-Gesetze wendet. Was hat das mit G8 zu tun?

Schon der allererste „ Weltwirtschaftsgipfel“ 1975 sprach nicht nur über internationale Handelsfra gen: Die „hohe Arbeitslosigkeit, anhaltende Inflation und schwerwiegende Energieprobleme“ müsse man überwinden, hieß es in der Abschlusserklärung. Schon damals setzten die mächtigsten Industriestaaten auf den „freien Handel“ als Lösung. Indem sich die Staaten auf Bekämpfung der Inflation als vorrangiges Ziel festlegten, schränkten sie ihre eigene haushalts- und arbeitsmarktpolitische Bewegungsfreiheit ein. Sozialabbau wurde zum festen Begleiter der globalen Wirtschaftspolitik.

Auch in anderen sozialpolitischen Fragen griff die G8 zum Rezept Privatisierung und Rückzug des Staates, ganz gleich, ob es um Gesundheit, Altersversorgung oder um Bildung geht. Immer deutlicher propagierte die G8 das Konzept des Neoliberalismus. 1983 gab der Gipfel die schon im Titel zynisch anmutende „Erklärung zur wirtschaftlichen Gesundung“ ab. Ein Musterstück der Liberalisierung ist wohl die von den G8 maßgeblich beeinflusste Welthandelsorganisation WTO. Sie ist der Marktideologie verpflichtet und entwertet nach und nach andere internationale Regeln, etwa die wichtigen Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO.

Eine wichtige Rolle spielen dabei multinationale Konzerne, die in verschiedenen Staaten aktiv sind und damit verschiedenen Regeln unterliegen (können). Ihnen gelingt es immer wieder, sich die jeweils günstigsten Bedingungen herauszusuchen. Obwohl Staaten die Möglichkeit hätten, bspw. durch das Steuer- und Unternehmensrecht die Konzerne zu zügeln, leisten sie sich seit Jahrzehnten einen Wettlauf darum, den Konzernen die günstigsten Bedingungen zu bieten.

Manchmal nutzen Verantwortliche die komplexen Entscheidungsstrukturen , um ihre Hände in Unschuld zu waschen. So berief sich der damalige Bundeskanzler Schröder 2003 bei der Verkündung der Agenda 2010, des größten Sozialabbauprogramms in der Geschichte Deutschlands, auf EU-Beschlüsse. Zwar war er an bestimmte Anforderungen gebunden, aber Schröder war gleichzeitig einer der europäischen Staats- und Regierungschefs, die auf ihrem Gipfeltreffen in Lissabon im Jahr 2000 eine Strategie festlegten, wie die EU zum mächtigsten Wirtschaftsraum der Welt werden solle. Sie vereinbarten u.a. die Liberalisierung von Gas, Strom, Postdiensten und Verkehr sowie des Dienstleistungsbereiches, eine Deregulierung der Arbeitsmärkte und die Umschichtung der Alterssicherung auf private Pensionsfonds.

Insofern bedeutet G8 quasi ein Teil der Einbettung des in der BRD betriebenen Sozialabbaus in ein weltweites neoliberal-kapitalistisches System.

Im Juni 2007 werden sich also in Heiligendamm an der Ostsee die selbsternannten acht mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt zum so genannten "G8-Gipfel" treffen. Dort werden sie die weitere Umsetzung von Projekten besprechen, die den Planeten noch unsicherer und ungerechter sowie die Umwelt noch zerstörter zurücklassen werden.
Wir bekämpfen diese Politik und werden uns im Juni in Heiligendamm den G8 entgegenstellen. Gemeinsam mit vielen anderen wollen wir der herrschenden Weltordnung von Krieg, Ausbeutung und Naturzerstörung unsere Vorstellungen von Frieden, Solidarität und Wohlstand für alle entgegensetzen.

Wir unterstützen die weltweiten Kämpfe der KleinbäuerInnen für ihr Recht auf Land und freies Saatgut, wir streiten für soziale Rechte, die Umverteilung von Reichtum, freien Zugang zu Wissen und konsequente Abrüstung.

Eine andere, eine bessere, eine gerechtere Welt ist möglich. Es liegt an uns, ob sie Wirklichkeit wird!
Wir fahren nicht nach Heiligendamm, um die G8 zu Versprechen zu bewegen, an die wir sie in zwei Jahren wieder erinnern müssen. Das ist politisch kontraproduktiv und die geplanten Proteste werden mit derart verwässerten Forderungen unterlaufen. Wir fahren nach Heiligendamm, um uns der G8 massenhaft in den Weg zu stellen.

Für den 2. Juni ist die internationale Großdemonstration geplant. „Eine andere Welt ist möglich“ lautet das Motto, unter dem ein großer Kreis von Organisationen und Einzelpersonen aus ganz Europa zu dieser Demonstration aufruft.

Die Demonstration läutet ein zur großen Gipfelprotestwoche, die neben dem Aktionscamp auch ein Kulturprogramm, Aktionstage zu verschiedenen Themen, den Alternativgipfel oder Blockaden der G8-Zufahrtswege vorsieht.

Der Bus von Tübingen und Reutlingen zur Großdemo fährt am 1. Juni um 20 Uhr los und in der Nacht von Samstag auf Sonntag, also nach der Demo zurück. Karten werden im Fairen Kaufladen verkauft.

Am vorletzten Mittwoch haben rund 900 Beamte des BKA und verschiedener Landeskriminalämter sowie lokale Polizeikräfte im Auftrag der Generalbundesanwaltschaft in Hamburg, Berlin und mehreren angrenzenden Bundesländern rund 40 Objekte durchsucht. Dabei wurde der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung als Vorwand genutzt, um von Staats wegen her repressiv gegen Linke vorgehen zu können. Dagegen gab es vorletzten Donnerstag eine Spontandemo in Tübingen mit ungefähr 100 Leuten. Wir wollen und werden es nicht zulassen, dass die KriterInnen der neoliberalen Globalisierung in Gut und Böse eingeteilt werden. Wir lassen uns nicht kriminalisieren. Wir fordern die Polizei zur Einstellung der Repressionen gegenüber den Demonstrierenden gegen den illegitimen G8-Gipfel auf.

Für vielfältige und kreative Proteste!

Jetzt erst recht: Auf nach Heiligendamm!

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