Montag, 5. November 2007

5. November 2007

ein Gedicht von Anne:

Investi-, privati-, subventioniert,
weil Spekulanten dannach gegiert,
zurückgekauft, weil nicht funktioniert.
Wer hat gewonnen? Und wer verliert?


Redebeitrag von Emaunuel:

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Liebe Freundinnen und Freunde der Montags-Demonstration!
Am Donnerstag macht die Tübinger CDU eine Veranstaltung unter dem Titel ein „Die Linke – neuer Wein in alten Schläuchen?“ Es spricht der Totalitarismus-Forscher Eckhard Jesse, der im Sommer die Durchsuchungsaktionen bei G8-Gegnern gerechtfertigt hatte und alle Globalisierungskritiker als potentielle Terroristen verdächtigte. Vehement tritt er gegen ein NPD-Verbot auf, weil: „Die Wähler der NPD sind zum großen Teil Protestwähler. Sie müssen das Gefühl bekommen, es geht vorwärts, ihnen geht es besser, die Arbeitslosigkeit sinkt. Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zahl der NPD-Wähler sinkt.“
An Jesses Populismus wird deutlich, dass die CDU nicht nur auf die Linkspartei zielt, sondern die gesamte soziale und globalisierungskritische Bewegung denunzieren will. Die CDU steht beim Mindestlohn, beim Arbeitslosengeld I unter Druck und wird wegen der Kinderarmut jetzt auch von den Kirchen heftig angegriffen. Denn die Bevölkerung erlebt, wie sie um die Ergebnisse ihrer Arbeitsleistung systematisch betrogen werden soll. Überall sprudeln die Steuerquellen, nicht zuletzt wegen der erhöhten Arbeitsleistung der Beschäftigten und der Erhöhung der Mehrwertsteuer: In Baden-Württemberg sind die Steuern im ersten Halbjahr um 14,1 Prozent gestiegen, will heißen 1, 6 Mrd. Euro mehr in der Landeskasse. Für den Landkreis Tübingen sind das 10 Mio., für die Stadt Tübingen um 12 Mio. Euro mehr. Und die Gewinnaussichten im Jahr 2008 sind für die Großaktionäre glänzend. Allein die auszuschüttenden Dividenden der 30 DAX-Unternehmen steigen um vier Mrd. Euro auf knapp 28 Mrd. Euro, herausgeholt aus der erhöhten Produktivität der Beschäftigten und den niedrigen Lohnabschlüssen der Vergangenheit.
Kein Wunder, dass neoliberale Politiker der SPD und CDU unisono schreien: „Keine sozialen Mehrausgaben, keine neuen Begehrlichkeiten der Bevölkerung“. Angeblich wollen die Herren Steinbrück und Stratthaus ihre Haushalte konsolidieren und Schulden abbauen. Aber in Wirklichkeit sollen wir vergessen, dass sie den Großkonzernen Anfang dieses Jahres 30 Mrd. Euro Unternehmenssteuern geschenkt haben. Das nennen sie dann Haushaltskonsolidierung!
Die Tübinger CDU-Veranstaltung zeigt eine zunehmende Verunsicherung über den Aufschwung des sozialen Protestes. In München haben gestern über 13.000 Menschen gegen den Transrapid-Bau demonstriert und der CDU steht bei einem Bürgerentscheid über das Milliardengrab Stuttgart 21 ein ähnliches Debakel bevor.
Der Streik der Lokführer ist jetzt schon ein Erfolg, weil sie das Streikrecht durchgesetzt haben – im Interesse aller Beschäftigten. Die SPD muss mit der Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältgere links blinzeln, damit ihr nicht die restlichen Mitglieder davonlaufen. Der Möchtegern-Hardliner Oettinger lobt den Freiburger Stadtrat, weil dieser im nächsten Haushalt 700.000 Euro bereit stellt, damit auch Schulkinder aus ALG-II-Familien am Schulmittagessen teilnehmen können. Sein Staatssekretär Köberle hat verkünden müssen, dass ein Teil der willkürlichen Fahrplankürzungen vom Sommer wegen der großen Proteste der Bevölkerung zurückgenommen werden muss. Es tut sich was in der Republik.

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Steter Tropfen höhlt den Stein – das ist seit drei Jahren die heimliche Devise unserer Montags-Demonstration. Und diese Devise zeigt Erfolge! Immer selbstbewusster wird der Widerstand gegen soziale Ausplünderung und Entwürdigung. Immer konkreter mischen wir uns in die Politik ein. Das wird jetzt beim Tübinger Haushalt für 2008 deutlich. Nach unserer erfolgreichen Aktion „Grundausstattung für alle Erstklässlerinnen“ im Sommer hat die Kreisarmutskonferenz alle Stadträte und Oberbürgermeister Palmer aufgefordert, im nächsten Haushalt einen Schulfonds einzurichten, der für Kinder aus ALG-II-Familien und von Geringverdienern ein freies Schulessen, die Durchsetzung der Lernmittelfreiheit, freie Fahrten zur Schule und eine Bonus-Card für den gesamten Landkreis Tübingen für alle ALG-II.-Bezieher und Geringverdiener ermöglicht. Warum dieser Schulfonds?
Die Landesregierung kann einen Rekord mehr vermelden: Sie hat bundesweit den höchsten Zuwachs bei der Kinderarmut zu verantworten. 2,5 Mio. Kinder werden bundesweit gezwungen, in Armut aufzuwachsen, im so genannten „Kinderland“ Baden-Württemberg sind es 148.000 Kinder. Diese Kinder werden doppelt bestraft: Durch die soziale Armut und durch die Ausgrenzung von Bildung. Und wir schreien den Skandal laut ins Land, dass die SPD angeblich für Chancengleichheit in der Bildung eintritt und ihre Hartz-Gesetze keinen Cent für Bildungsausgaben von Kindern vorsehen. 2,5 Mio. Kinder werden aus der Gesellschaft ausgegrenzt und der Teilhabe an Bildung und Demokratie beraubt.
Mit dem Schulfonds sind wir auf einem guten Weg, zumindest einige Folgen der menschenverachtenden Hartz-Gesetze zu verhindern. Aber wir müssen auch klar sagen, das dreigliedrige Schulsystem produziert bewusst neue Langzeitarbeitslose, indem es vom Kindergarten an soziale Auslese betreibt. Das unsägliche Festhalten von Oettinger und Rau an diesem Auslesesystem zeigt nicht nur ihre Unfähigkeit zu Reformen und zu einer demokratischen Gesprächskultur mit Eltern, Rektoren und Lehrern. Es ist auch ihr Versuch, bundesweit als die härtesten Vertreter des Neoliberalismus in der Bildungspolitik dazustehen. Sie lassen öffentliche Schulen in ihrer Ausstattung verkommen, Lernmittelfreiheit existiert nur noch auf dem Papier, jegliche Förderstunden sind abgeschafft, Schulprofile sind reine Propagandablasen. Ihr Ziel ist Bildung als bezahlbare Ware für die einfache Bevölkerung und Elitebildung für die Reichen im Land. Deshalb schert sich die Landesregierung einen Dreck um 9.000 Schulabgänger, die ohne jeglichen Abschluss und ohne Zukunftschancen jährlich die Schule verlassen, deshalb stellt sie über 3.500 gut ausgebildete Lehrer nicht ein. An vielen Schulen wird selbst der Pflichtunterricht nur notdürftig durch unzählige Überstunden und durch ein Verschieben von Lehrern zwischen den Schulen aufrechterhalten. Das ist erbärmliche Mängelwirtschaft statt Bildungspolitik.
Ich behaupte, das ist gewollt. Glaubt ihr mir nicht? Hier der Beweis: Manfred Pohl ist Volkswirt mit Professur am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er ist eng verbandelt mit der Deutschen Bank und mit der berüchtigten Bertelsmann-Stiftung, die die Hartz-Gesetze maßgeblich entwickelt hat. In seinem neuesten Buch „Das Ende des weißen Mannes“ vom Frühjahr 2007 schreibt Pohl wörtlich: „Die rund fünf Prozent der Menschen, die intellektuell in der Lage sind, geistige Höchstleistungen zu vollbringen, etwa durch Erfindungen, müssen frühzeitig aus dem Durchschnitt herausgefiltert und spätestens nach dem Kindergarten spezifisch gefördert werden. Die etwa 30 Prozent, die Erfindungen umsetzen, installieren, warten oder Bildung weitergeben können, bedürfen ebenfalls eines eigenen Bildungsweges, genauso wie die restlichen 65 Prozent, die Maschinen bedienen und einfache geistige Arbeiten verrichten. Von ihnen ist etwa ein Drittel nicht bildungsfähig, egal wie viele Millionen für ihre Bildung aufgebracht werden.“

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Unser Eintreten für eine Schule, in der Kinder aller Altersstufen angstfrei und gemeinschaftlich lernen und entsprechend ihren individuellen Begabungen und Fähigkeiten in kleinen Klassen gefördert werden, dient nicht nur diesen Kindern. Es ist zugleich Teil unseres Widerstandes gegen die wachsende Armut, die die Reichen in unserer Gesellschaft skrupellos als soziales und politisches Disziplinierungsmittel gegen alle abhängig Beschäftigten einsetzen. Lasst uns gemeinsam für eine Bildungsreform eintreten, die Chancengleichheit und eine gute Zukunft für Kinder aller Bevölkerungsschichten garantiert. Dies fängt an mit der Einrichtung eines Schulfonds im Tübinger Haushalt 2008 und muss fortgesetzt werden mit der sofortigen Senkung des Klassenteilers auf 25 Schüler, der Einstellung aller arbeitslosen Lehrer und Schulsozialarbeitern an allen Schulen.
Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit!

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