Dienstag, 22. Januar 2008

21. Januar 2008

Tübinger Montagsdemo erklärt sich mit Nokia-Belegschaft solidarisch

Solidaritätserklärung

An die Kolleginnen und Kollegen des Nokia Werkes Bochum
Wir, von der Montagsemo-Tübingen sind empört über das Vorhaben der Nokia-Geschäfsführung, das Werk in Bochum zu schließen.
Wir erklären uns mit Eurem Kampf gegen die Schließungsvorhaben solidarisch.
Wir protestieren wie in über 130 Städten im Republik gegen die Agenda 2010, Hartz IV-Gesetze, Sozialabbau und Vernichtung von Arbeitsplätzen. Wir demonstrieren jetzt im vierten Jahr. Bei uns demonstrieren Arbeitslose, Leute die noch Arbeit haben, Rentner und Jugendliche.
Auch bei uns in Tübingen und in der Umgebung haben wir genug Erfahrungen gemacht, daß Verzicht oder länger Arbeiten keinen einzigen Arbeitsplatz sichert, im Gegenteil ermutigt das die Konzerne und ihre Politiker noch mehr Einschnitte gegen uns zu fahren.
Ihr habt auch diese bittere Erfahrung gemacht; Weihnachten noch Überstunden gefahren und Jetzt als Dank dafür soll das Werk geschlossen werden.
Wo die Arbeiter, ob sie zur Stammbelegschaft gehören oder Leiharbeiter sind, sich zusammen tun, gegen die Spaltung kämpfen, haben es die Bosse schwer. Deshalb: eine Belegschaft- ein Kampf und das konzernweit, dann bekommen die Herren in Finnland kalte Füsse.
Dabei könnt ihr auf unserer Solidarität sicher sein!
Wer kämpft kann gewinnen!
Mit solidarischen Grüßen!

(Bei der Montagsdemo in Tübingen am 21. Januar beschlossen)

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Redebeitrag:

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Liebe Freundinnen und Freunde der Montags-Demonstration!

Letztes Wochenende hat die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, vor wachsender Altersarmut in Deutschland gewarnt: Wer heute 30 Jahre und jünger ist, kann nicht mehr damit rechnen, in Zukunft eine Rente über der Armutsgrenze zu erhalten. Arbeitslosigkeit für Jugendliche, Niedrig- und Zeitarbeitslöhne wie bei Nokia in Bochum – dies alles führt in die Altersarmut.
Ich erwähne den Skandal der Altersarmut in einem der reichsten Länder der Welt aus zwei Gründen: 1. Der Exportweltmeister Deutschland gründet seinen Reichtum auf Hungerlöhnen für immer mehr Beschäftigte. Während die Aktionäre der 30 börsennotierten DAX-Unternehmen 2007 ihre Dividendenausschüttung um vier Milliarden auf 28 Mrd. Euro erhöht haben, arbeiten offiziell über sechs Millionen Menschen zu Niedriglöhnen, 1,3 Mio. von ihnen müssen zusätzlich Hartz-IV beantragen. Die Unternehmer haben sozialversicherungspflichtige Stellen umgewandelt in Stellen, für die sie u.a. nicht mehr in die Rentenkasse einzahlen. Auch dadurch steigt die Altersarmut. Das gilt besonders für Baden-Württemberg: Nach der Lüge vom Kinderland BaWü tischt uns Oettinger jetzt die Lüge vom Jobwunderland auf, weil der Wohlstand angeblich nicht nur bei den Brüdern Albrecht, den Aldi-Besitzern ankommt, sondern auch bei den Beschäftigten. Tatsache ist aber, dass von den 920.000 neuen Stellen in BaWü seit 1980 nur 84.000 Vollzeitstellen geschaffen wurden, als andere sind hoch produktive, aber schlecht bezahlte Teilzeitstellen, hauptsächlich für Frauen und Jugendliche.
2. Der Exportweltmeister Deutschland gibt sich auf internationaler Bühne weltoffen, um fremde Absatzmärkte zu erobern. Aber im Inneren regieren kleinkarierte und provinzielle Politiker. Der Hessenwahlkampf zeigt es: Angesichts von blinder Wut von Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft spielt Roland Koch die fremdenfeindliche Karte und hetzt gegen Migranten. Axel Springers Bild-Stuttgart titelt am 4. Januar auf Seite 1: „Die Wahrheit über kriminelle Ausländer: Sie werden in ihren Familien schon zu Kriminellen erzogen. Leichte Strafen schrecken sie nicht ab. Sie beeindruckt nur eines – die Haft.“ Das ist Rassismus und unterstellt Migrantenfamilien eine bewusste Erziehung zur Gewalt. Seit dem Münchner Überfall hetzt Bild täglich gegen Migranten. Am 17. Januar verbreitet sie die populistische Meinung von Baden-Württembergs Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU), dass deutschfeindliche Äußerungen, künftig als Volksverhetzung bestraft werden sollen. Damit meint er allerdings nicht die Volksverhetzung des Ex-SPD-Wirtschaftsministers Clement, Hartz-IV-Bezieher seien Parasiten und Schmarotzer. Roland Koch will Springers Hetze nutzen, um Jugendstrafen zu verschärfen, Erziehungslager einzuführen und Migranten abzuschieben. Seine Kampagne ‚Kinder unter 14 in den Knast’ stößt allerdings auf bundesweite Empörung.

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Die Hetze gegen Migranten in der Bildzeitung hat Tradition. Hier einige Originalschlagzeilen aus den siebziger Jahren: „Gastarbeiter am Steuer: Trümmer und Tote. - Koffer, Kisten, Kühlschrank – Vorsicht, die Türken kommen. In Mannheim sind 180 Katzen spurlos verschwunden. Ein Türke rief an: Großen Hunger, ich fressen Kater. – Von 80 Türken vergewaltigt – Schwester immer noch in der Gewalt von Gastarbeitern.“ Schon damals haben viele Menschen gefordert, Springer zu enteignen. Das reicht jedoch nicht. Merkels Unterstützung für Kochs fremdenfeindlichen Populismus zeigt, dass die CDU mehr vorhat.
Zum einen soll die aktuelle Hetze ein verschärftes europäisches Einwanderungsrecht vorbereiten:. Die Weltkonzerne vernichten zusammen mit der Weltbank immer mehr die Existenz von Kleinbauern in Afrika und Asien und gefährden durch die Klimaerwärmung auch deren Umwelt. Durch die Ausdehnung der Sahara und die Überschwemmungen wie in Bangla-Desh wird der Zustrom so genannter Wirtschafts- und Umweltflüchtlingen aus diesen Gegenden weiter steigen. Dagegen soll Europa zur Festung ausgebaut werden
Zum zweiten sollen in unserem Land Jung gegen Alt, Deutsche gegen Migranten, Beschäftigte gegen Arbeitslose ausgespielt und eine massive Entrechtung vorbereitet werden. 100.000 haben im letzten Jahr in Heiligendamm gegen die neoliberale Politik von Merkel und CoKG demonstriert. Dies war wesentlich ein Erfolg der Jugendbewegung gegen die politische Klasse, die sich vor weiterem Protest fürchtet. Deshalb will sie die Opfer ihrer skrupellosen Politik zynischerweise zu Tätern machen. Was geschieht das?
Gegenwärtig werden in unseren Schulen fast 10 Prozent aller Jugendlichen eines Jahrgangs ohne Schulabschluss, ohne Lehrstelle und ohne Zukunftsaussichten in die Gesellschaft entlassen. Hier findet nicht nur soziale Selektion statt, sondern Misserfolgserlebnisse, Demütigungen, Verweigerung von Anerkennung und Perspektiven, die jeder von uns zum Leben braucht. Die so genannte Bildungslokomotive BaWü geht auch hier mit schlechtem Beispiel voran: Der Anteil von ausländischen Schulabgängern ohne Abschluss ist hier dreimal so hoch wie der von deutschen Schülern, bei den beruflichen Abschlüssen sogar vier Mal so hoch. BaWü liegt bei Erwerbstätigen ohne jeglichen beruflichen Abschluss weit über dem Bundesdurchschnitt, die Jugendarbeitslosigkeit ist wesentlich höher als die von Erwachsenen. Für Migranten heißt das laut Statistischem Landesamt: „Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit lag in BaWü die Arbeitslosenquote der Ausländer im Jahr 206 mit 15,2 Prozent mehr als doppelt so hoch wie die Arbeitslosenquote insgesamt..“. Die Politik der Landesregierung produziert soziale und politische Zeitbomben!

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Die neoliberale Profitpolitik bringt nicht nur politischen Widerstand hervor. Sie führt auch zu Krankheit, zu Depressionen und zu blinder Gewalt als Ausdruck von Hoffnungslosigkeit. Wir als Montags-Demonstranten verurteilen jeden Angriff auf unschuldige Obdachlose, auf Passanten oder Beschäftigte. Aber wir bekämpfen diejenigen, die diese Angriffe mit ihrer unmenschlichen Politik und mit ihrer maßlosen Gewinnsucht verursachen. Und wir sprechen denjenigen, die sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung bereichen und die ihre Gesetze von Kriminellen wie Peter Hartz machen lassen, jegliches Recht ab, sich zu als Verteidiger der öffentlichen Sicherheit aufzuspielen. Denn statt die Ursachen dieser blinden Gewalt zu beseitigen, nutzen die Populisten diese für eine weitere Entrechtung, für Kasernierung, Gefängnisse und Arbeitslager. Neoliberalismus schürt Fremdenhass und ist demokratiefeindlich. Deshalb halten wir daran fest:
Gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen!
Hartz IV muss weg! Gesetzlicher Mindestlohn von mindestens acht Euro!
Gleiche Rechte für alle, die in Deutschland leben und arbeiten, egal welcher Herkunft.

Liebe Tübingerinnen und Tübinger!
Morgen abend spricht einer der Scharfmacher der neoliberalen Politik in der Festhalle in Rottenburg. Oettinger ist dafür bekannt, dass er gegen den Mindestlohn und gegen die sofortige Erhöhung des Kindergeldes hetzt. Seine CDU-Politik ist maßgeblich verantwortlich für die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in BaWü. Deshalb ist es nur richtig, dass er morgen mit unseren Forderungen konfrontiert wird. Um 19 Uhr trifft man und frau sich am Eugen-Bolz-Platz, um zur Festhalle zu laufen.

Vielen Dank Euch für Eure Aufmerksamkeit.

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